Die Architekturfotografie hat es derzeit nicht leicht. Bewegt sie sich auf den engen Pfaden von Auftragsarbeiten, so wird sie – oft in leichter Untersicht, manchmal auch aus der Luft – auf einen Bildtypus verpflichtet, der nicht nur bei Gebäuden der Stars der Szene nach einen Spagat zwischen Dokumentation und Werbung verlangt. Digitalisierung und Nachbearbeitung tun ein Übriges, um, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, aus Fotografien mehr und mehr Gebilde einer technisch gestützten Phantasie zu machen. Daneben gedeihen im Umkehrschluss immer wieder Aufnahmen von Städten, Gebäuden oder urbanen Räumen, die weit weniger auf Inszenierung als auf einen Realismus setzen, in dem die oft öde soziale Wirklichkeit ebenso durchscheint wie das Versagen von Stadtplanung und Architektur zum Bild gerinnt. In einer solchen Situation kann es nicht schaden, den inneren Kompass gelegentlich an einer mit der Präzision einer Plattenkamera aufgenommenen, geradezu klassischen Architekturfotografie nachzujustieren.
Die Aufnahmen des Kölner Fotografen Karl Hugo Schmölz (1917 bis 1986) gehören in diese Kategorie. Schmölz ist nach wie vor wenig bekannt, wenn auch kein gänzlich Unbekannter mehr. Selten finde sich „in der Biografie eines Fotografen ein solches Missverhältnis zwischen Bekanntheit und Bedeutung wie im Fall von Karl Hugo Schmölz“, so der Journalist und Kurator Thomas Linden. Obwohl in den Nachkriegsjahren der vielleicht bedeutendste Architekturfotograf Deutschlands, sei Schmölz 1986 als Vergessener gestorben. Im Jahr 2012 widmete ihm das Rheinische Landesmuseum Bonn unter dem Titel „Wie sich Deutschland neu erfand“ erstmals eine Werkschau und in der Folge erschienen mehrere Fotobände, vor allem mit seinen Aufnahmen von Bauten der Wirtschaftswunderzeit.
In dem Anfang 2016 gegründeten Kölner Verlag „Artbookers“ ist nun unter dem Titel „Karl Hugo Schmölz – Architekturfotografie der Nachkriegszeit“ ein digitaler Bildband mit knapp 100 Fotografien erschienen, der, herausgegeben und um einen Essay ergänzt von Thomas Linden, die Aufnahmen von Schmölz nun auch auf den Bildschirm bringt. Neben dem erstaunlich preisgünstigen digitalen Bildband bieten Artbookers zudem ausgewählte Motive als Fine Art Prints an – vom reinen Print bis hinzur Kaschierung auf Alu Dibond oder hinter einer hochwertigen Acrylkaschierung.
Bei Karl Hugo Schmölz lag die Architekturfotografie gewissermaßen in der Familie. Der Vater, Hugo Schmölz, bei dem der Sohn das Handwerk des Fotografen erlernte, galt in den 1920er- und 1930er-Jahren als der erfolgreichste deutsche Architekturfotograf. 1911 hatte er in Köln sein erstes Fotoatelier eröffnet, im selben Jahr wie August Sander, mit dem er gelegentlich zusammenarbeitete. Neben der Autoindustrie, großen Handelsketten und Siemens zählten auch Architekten wie Dominikus Böhm zu den Auftraggebern von Hugo Schmölz.
Nach dem Tod des Vaters 1938 übernahm der Sohn Karl Hugo dessen „Fotowerkstätte“. Schon Ende 1944 stand er in den Trümmern und fotografierte das zerbombte Köln. Tief blickte er in die Ruinen, hielt etwa die Fassade des Rathauses wie eine historische Kulisse fest. Das Stück, das vormals dort gespielt wurde, war nun Vergangenheit. Für Schmölz aber war die Zerstörung nicht nur Anlass für Trauer, sondern auch Chance. Als der Wiederaufbau begann, versorgten ihn im Rheinland tonangebende Architekten wie Wilhelm Riphahn, Rudolf Schwarz, Helmut Hentrich und Bernhard Pfau mit Aufträgen.
Was war, lag in Trümmern. Was neu gebaut wurde, trat fortan klar, leicht, schlicht und transparent auf, trug schlanke Fensterprofile, verfügte über weit auskragende Dächer und kühn geschwungene Treppenhäuser. Was baulich avanciert entstand, Schmölz hielt es fest ¬¬– sachlich, aber stets raffiniert belichtet und auf eine Art in Szene gesetzt, dass man noch heute den hellen Glanz des damals Neuen wahrzunehmen glaubt. Im Zentrum stehen Köln und das Rheinland, doch reicht der Radius seiner Arbeiten auch darüber hinaus bis nach Essen, Dortmund, Stuttgart und Karlsruhe.
Ob Schaufenster, in denen die Waren bei Nacht verführerisch erstrahlen, oder Tankstellen, die – noch ist Energie ein Versprechen – mit ihren kühnen Dächern und runden Kassenräumen voraus in eine neonhelle Zeit leuchteten. In seinen Aufnahmen von Cafés, Autohäusern und Messepavillons, von Schaufenstern, Ladenpassagen und nicht zuletzt von den großen Sälen der Filmpaläste und Lichtspieltheater hielt Schmölz das Versprechen einer neu gewonnenen Zukunft fest und verschaffte der Zeit des Wiederaufbaus und den Qualitäten ihrer Architektur einen großen Auftritt.
Dass auf Schmölz’ Fotografien keine Menschen zeigen, mag einerseits mit Aufträgen und seiner Verwurzelung in einer sachlichen Fotografie zusammenhängen. Andererseits zeigt es aber auch, wie gründlich die Abkehr vom Elend der Trümmerjahre und von den Massenaufmärschen der Zeit des Nationalsozialismus vollzogen wurde. Deutschland wurde neu erbaut, das vor allem sollten alle sehen. Die Abwesenheit von Menschen weist aber auch voraus auf den dokumentarischen Impetus von Bernd und Hilla Becher und reicht bis zu den „Unbewussten Orten“ und „Straßen“ eines Thomas Struth. Zudem war Schmölz, Linden erwähnt es, der erste Lehrer von Candida Höfer. Dabei hat kaum einer den Raum, wie ihn die Architektur besetzt, formt und erschließt, so elegant und so verführerisch in Szene gesetzt wie Karl Hugo Schmölz.
Karl Hugo Schmölz – Architekturfotografie der Nachkriegszeit
Artbookers‐Produktion
hrsg. v. Thomas Linden
Erhältlich als E‐Book bei iTunes, Amazon und Google Play
4,99 Euro
ISBN epub: 978‐3‐933357‐62‐5
ISBN mobipocket: 978‐3‐933357‐63‐2