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Textilfabrik von Kvadrat, Wooltex, Vereinigtes Königreich, 2016

Surreale Realitäten

Alastair Philip Wiper blickt mit dem Fotoband "Unintended Beauty" in das Herz von Industrie und Forschung.
von Anna Moldenhauer | 20.07.2020

Der britische Fotograf Alastair Philip Wiper führt uns mit seinen Aufnahmen in künstliche Welten, die der Mensch geschaffen hat, um seine Bedürfnisse zu stillen. Zu technischen Anlagen, die uns helfen dem Wunsch nach Wissen, nach Objekten, Nahrung und Glücksgefühlen zu entsprechen. In seinem Fotoband "Unintended Beauty" blicken wir so mit ihm in industrielle Prozesse, auf wissenschaftliche Anlagen, auf Kabelgewirr, Förderbänder und glänzende Rohre aus Metall. Wir sehen Momentaufnahmen in der Produktion von Lautsprechern, Ozeanriesen, Textilien, Schuhen, Dosenfleisch und Sextoys. Schauen auf Apparaturen, die der Europäischen Organisation für Kernforschung dienen, in Windtunnel und Absorptionsräume oder auf die futuristische Architektur eines Solarschmelzofens.

Jede Abbildung der temporären Prozesse ist für sich eindrucksvoll – völlig unabhängig, ob es sich um die Erforschung von Nuklearenergie handelt oder um das Formen des perfekten Marzipanschweins. Mit seiner Kamera erkundet Wiper die kühle Ästhetik von Industrie und Wissenschaft, rahmt Augenblicke ein. Wie inszeniert wirkt jede der Szenen und sind doch zufällig entstanden, leuchten in kräftigen Farben. Jedes Detail der komplexen Vorgänge ist von einer harten Schärfe. Trotz des zweidimensionalen Charakters der Fotografie bieten die Werke so eine plastische, fast greifbare Nähe. Faszination wechselt mit der bisweilen erschreckend ungeschönten Realität der Prozesse. Eine Wertung seitens des Künstlers findet nicht statt. Es bleibt bei der bloßen Abbildung mit einem Minimum an Information, was auf dieser zu sehen ist. Wiper lässt Raum für Interpretation, für das Aufkeimen von Fragen zu Konsum, Fortschritt und Mechanisierung, deren Antworten sich der Betrachter selbst geben muss. Unterteilt in die Kapitel "Learning", "Eating, Drinking, Medicating", "Making" und "Powering", dürfen wir uns so über Wipers Aufnahmen einer surreal wirkenden Kulisse nähern, die von Menschen geschaffen wurde, um Menschen zu dienen und doch die meiste Zeit verborgen bleibt. Aktuell und noch bis zum 10. Januar 2021 zeigt das Musée des Arts décoratifs et du Design in Bordeaux die Arbeiten von Alastair Philip Wiper.


"Unintended Beauty" by Alastair Philip Wiper

The musée des Arts décoratifs et du Design
39 rue Bouffard
33000 Bordeaux

Bis zum 10. Januar 2021