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Am Drücker

Ein Klassiker des deutschen Industriedesigns feiert seinen fünfzigsten Geburtstag: Das Modell LS 990 von Jung war der erste moderne Lichtschalter.
13.07.2018

Eine Drehbewegung – das war lange der Handgriff, um einen Raum zu erhellen oder zu verdunkeln. Mit einer Drehung am Ventil führte man dem Brenner von Petroleum- oder Gasleuchten Nahrung zu oder ließ das Licht erlöschen. Auch die ersten Schalter, die mit dem Aufkommen der elektrischen Beleuchtung um 1900 in den Häusern Einzug hielten, waren Drehschalter. Saß die runde Schalterdose zunächst auf der Wand wanderte sie nach einiger Zeit unter den Putz. Nur eine ringförmige Blende verhinderte, dass bei der Drehung des Schalters die Tapete beschmutzt wurde. Als Kippschalter die Drehschalter ablösten blieb die Blende trotzdem rund. Die Form hatte sich eben für Lichtschalter etabliert. Der eigentliche Kippschalter war im Verhältnis zur Blende klein – gerade groß genug, um ihn mit der Fingerspitze umzulegen.

Das war die Situation, die der Grafikdesigner Herbert W. Richter vorfand, als ihn Siegfried Jung im Jahr 1968 beauftragte, für sein Unternehmen ein neues Schalterprogramm zu entwerfen. Richter schuf daraufhin mit der Serie LS 990 einen Klassiker deutschen Industriedesigns, dessen Popularität bis heute ungebrochen ist. Er wandte dabei jene Regeln an, die der Deutsche Werkbund und das Bauhaus für gute Produktgestaltung aufgestellt hatten. So warf er Überkommenes wie die runde Form über Bord und entwickelte einen Schalter, der annähernd die Größe der bisherigen Blende hatte. Eine große quadratische Fläche ersetzte die kleine Wippe. Von der großen Blende blieb dagegen nur ein schmaler Rahmen. Konsequent vergrößerte Richter den Schalter auf das technisch größte Maß: Diese sieben mal sieben Zentimeter misst er beim Modell LS 990 bis heute. Geändert dagegen haben sich über die Jahrzehnte die Farben und Materialien. Leder- und Marmoroptiken, die in den 1970er und 1980er Jahren angeboten wurden, sind längst verschwunden. Stattdessen bereichern heute verschiedene Grau- und Schwarztöne das Programm. Seit 1999 wird der LS 990 auch in Metallausführungen angeboten, zunächst in Edelstahl, später dann auch in Aluminium, Messing, verchromt und sogar vergoldet. Seit dem Jahr 2014 schließlich wird das Programm in einer von Le Corbusier Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelten Farbpalette angeboten – ein Rendezvous zweier Klassiker, die beide unter Beweis gestellt haben, dass Funktion und Ästhetik sich wunderbar ergänzen. (fap)