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Kuppel der Frederikskirche in Kopenhagen

3daysofdesign 2024 – Review
Frischer Nordwind

"Dare to dream" lautete in diesem Jahr das Motto der 3daysofdesign. "Wenn wir es wagen, gemeinsam zu träumen, entsteht eine kollektive Innovationskultur – ein Katalysator für den Wandel", so Signe Byrdal Terenziani, die das Designevent gegründet hat und leitet. Unser Review.
von Anna Moldenhauer | 19.06.2024

Träumen durfte man vom 12. bis zum 14. Juni 2024 an so vielen einzigartigen Orten in Kopenhagen, dass es kaum zu schaffen war sie alle zu erleben. Die 3daysofdesign wachsen seit ihrer Gründung im Jahr 2011 mit enormer Geschwindigkeit, sowohl auf der Seite der AusstellerInnen wie der BesucherInnen aus aller Welt. Für diese Ausgabe des Designevents lag die Zahl der ausstellenden Unternehmen bereits bei knapp 400. Die Schauen von Framing, in der Frederiksgade oder im Hay House waren quasi durchgehend überlaufen, ebenso investierten viele Hersteller wie Karimoku oder Norr11 & And Light in großzügige Showrooms in der Innenstadt. Neben Mailand ist Kopenhagen ein "place to be" für die Designszene geworden, denn das Festival bietet selbst bei heftigen Regenschauern und kühlen Temperaturen eine harmonische Atmosphäre und perfekte Organisation. Auch bei einem engen Zeitplan sind so viele inspirierende Begegnungen möglich, die Wege meist kurz, die Präsentationen ästhetisch und bis in das Detail durchdacht.

Parallel zum "Klassentreffen" der Branche werden erfreulicherweise nach und nach die jungen DesignerInnen sichtbarer, wie in den Ausstellungen Ukurant, Danish Art Workshops und House of Nordic Design. Im Letzteren präsentierte beispielsweise Aaron Wessels vom Studio Wes im Rahmen der Schau "NoDe" einen niedrigen Beistelltisch aus massiven Douglasien-Reststücken von Dinesen und satiniertem Glas. Für "Brut" diente die rhythmische Eleganz brutalistischer Deckenstrukturen als Inspiration. Die vier Beine lassen sich an der Struktur des Tabletts befestigen und lösen, so dass der Tisch leicht verschoben werden kann.

Installation "Instantánea" von Note Design Studio für Vibia
"Brut" von Studio Wes
"Spot" von Pascal Hien für Le Klint
Installation von Karimoku mit Stoffen von Kvadrat

Auffallend war in dieser Ausgabe der 3daysofdesign der zunehmende Schulterschluss mit schwedischen Kreativen, wie seitens Note Design Studio – diese gestalteten sowohl das Audo Copenhagen Haus angenehm hell, wie sie das Konzept "Instantánea" für die Ausstellung von Vibia entwickelten. In deren vielfältigen Szenarien wurde beispielsweise "PlusMinus" von Stefan Diez für eine kunstvolle Hängung in je einer monochromen Farbpalette ausgewählt, die die Harmonie des Beleuchtungssystems ideal veranschaulichte.

Für die Gestaltung der Produkte mischte sich in den Ausstellungen zu dem vertrauten skandinavischen Möbeldesign aus hellem Holz und Leder der aktuelle Trend zu voluminösen Retroformen und kräftigen Farben. Ein Hauch von Abenteuer lag in der Luft, und mit ihm die Freude am Experiment: Unter dem Titel "ReThink" konnten bei Kvadrat die Arbeiten von zwölf internationalen Kreativen entdeckt werden, die mit den Produkten und Produktionsresten des Unternehmens neue Wege suchen, um verantwortungsvolles Design zu schaffen. Zu den Exponaten zählten so die "Fibre Walls" vom niederländischen Studio Belén, biologisch abbaubare Baumaterialien, die Akustik, Isolierung, Farbe und Textur in einem bieten. Vitra präsentierte das "Anagram" Sofa von Panter&Tourroun, dessen Module an allen vier Seiten flexibel kombiniert werden können. Dank eines Klickmechanismus ist es möglich, Rücken- und Seitenlehnen sowie kleine Tische in vielen Konfigurationen ganz nach Bedarf zu positionieren. Hay zeigte neben neuen Möbeln und Leuchten wie der Preview des Loungestuhls "Palissade Cord" von Ronan & Erwan Bouroullec und der Hängeleuchtenkollektion "Brim" aus gepresstem Glas von Rui Pereira und Ryosuke Fukusada, eine Sportschuhkollektion mit asics. In der Schau von Massproductions war der "Woodwerk" Stuhl von Chris Martin zu sehen, dessen Verbindungsstücke zur Rückenlehne in ihrer Mitte wie verzwirbelt wirken und so mit einem einzigen Detail den Charakter des klassischen Stuhls auf eine andere Ebene heben. Zeitraum stellte unter anderem den Stuhl "Aeon" von Mathias Hahn vor, der zwei Gegensätze zu einem stimmigen Ganzen kombiniert: Die Flexibilität der Formholzschale und die Stabilität des Massivholzgestells.

Pascal Hien präsentierte gemeinsam mit Le Klint die Leuchte "Spot", die den industriellen Charm der Stahlstruktur mit einem markanten Holzgriff verbindet. Mit diesem kann der Leuchtenkopf bewegt und die Leuchte schnell in der Position versetzt werden. Alle Komponenten sind mit nur einer Schraube verbunden und jeweils austauschbar. Für Raawii prüfte Erwan Bouroullec wo die Grenzen der Reduktion für einen Loungechair liegen: Alle Einzelteile sind auf ein Minimum reduziert, lassen sich einfach zusammenbauen und selbst an eine platzsparende Verpackung wurde gedacht. Die klare Struktur von "Arba" aus gebogenen Metallprofilen und einem Fuß aus Aluminiumdruckguss bietet somit eine entspannte Version des klassischen Arbeitsstuhls. Nomad kombiniert indes für "A_Rug" eingefärbte Baumwollreste mit dickem Bouclée Garn zu einem eleganten Teppich, der im Designhaus in der Frederiksgade 1 zu sehen war. Ein paar Räume weiter durften die filigranen Minivasen "Midsummer" von Orreforrs in sanften Farben entdeckt werden, die Claesson Koivisto Rune entworfen hat.

"Woodwerk" von Chris Martin für Massproductions
"Fibre Walls" von Studio Belén
"Loja" von Sebastian Herkner für Midgard
"Aeon" von Mathias Hahn für Zeitraum

Neue Perspektiven bot auch Sørensen Leather mit der Kollektion "Leisure" von GamFratesi: Dank einem mehrschichtigen Mikrofinish bietet diese eine schmutzabweisende und sehr strapazierfähige Oberfläche, welche in Handarbeit erzeugt wird. Die natürlichen Farbtöne von vulkanischem Schwarz bis kräftigem Gelb hat das Duo auf einer Europareise zusammengetragen und diese auf Wasserbasis entwickelt. Für die Ausstellung wurden die farbigen Lederstreifen um große Steine gebunden und auf Holzpodeste gesteckt – eine erfrischend kunstvolle Art der Produktpräsentation. Wie die "Leisure"-Kollektion als Möbelbezug wirkt, ließ sich indes bei Gubi erkunden, die diese beispielsweise für die Polsterung der Stühle "Beetle" oder "Croissant" verwendete.

Mit großer Neugier erwartet wurde zudem die neue Leuchtenfamilie von Sebastian Herkner für Midgard: "Loja" interpretiert die Idee des lenkbaren Lichts mit einem geschwungenen Papierschirm, der wie ein Hut auf einem transluzenten Glaszylinder locker aufgesetzt ist. Das garantiert nicht nur einen sanften Lichtverlauf und hohe Flexibilität, die weit ausladende Geste des Schirms zeigt eine Eleganz, die in der formalen Melodie von Midgard eine neue Note anschlägt. Ganz im Sinne der DNA des Traditionsunternehmens, das von David Einsiedler und Joke Rasch geführt wird, besteht das Produkt aus nur drei frei voneinander trennbaren Materialien, die zu 100 Prozent kreislauffähig sind: Papier, Glas und Stahl. Dazu wurde der renommierte Designer mit einer Ausstellung direkt im Eingangsbereich des Framing House geehrt.

"Arba" von Erwan Bouroullec für Raawii
"Tension" von Gustav Winsth für Lammhults
"Leisure" von Sørensen Leather und Gamfratesi
"Anagram" Sofa von Panter&Tourroun für Vitra

Zu den Highlights der 3daysofdesign gehörte darüber hinaus die Schau von Fritz Hansen und Cobe Architects im innerstädtischen Hafen von Kopenhagen: Sowohl im Multifunktionskomplex Papirøen, wie im und um das Restaurant Vaeksthuset, einem organisch geformten Gewächshaus, welches das Herzstück des Opernparks bildet, konnte das harmonische Zusammenspiel von Design und Architektur erlebt werden. Inklusive war der erste Blick auf den "Monolit" Stuhl von Cecilie Manz, der wie ein kleiner Thron die sitzende Person stützt und mit gerundeten Schalen ein schützendes Gefühl bietet. Weitere Premieren waren beispielsweise der neue Showroom von DCW Editions in der Freistadt Christiania und die Teilnahme des finnischen Modelabels Marimekko. Neben den bekannten floralen Mustern überraschte dieses mit Möbeln und Taschen aus dem pflanzlichen Material Vireo, das zu 70 Prozent aus Hanffasern besteht. Entwickelt wurde Vireo von dem Unternehmen Hemp Bio, das mehrheitlich zu Kvadrat gehört. Die von Bunn Studio und Gribskov Inventarsnedkeri realisierten Möbelstücke zeigen die Anpassungsfähigkeit von Vireo. Dank einer Partnerschaft mit dem Textilrecycler Rester besteht die Füllung der Polster aus recycelten Stoffen der Marimekko-Fabrik in Helsinki.

Ein besonderes Erlebnis bot ebenso die Installation des dänischen Möbelstudio Møbel Copenhagen, die Modestylist und Artdirektor Anders Sølvsten Thomsen entwickelt hat: Im dritten Untergeschoss des Parkhaus Ofelia Plads direkt am Hafen war ein 400 Quadratmeter großer Streifen abgeteilt, auf dem in drei Szenarien die gesamte Kollektion präsentiert wurde. Viele Entwürfe stammen vom Architekten und Designer David Thulstrup, wie die Sitzmöbel "Rudi" und Taku" oder der niedrige Couchtisch "Tile", dessen Platten aus natürlich glasiertem Lavastein gefertigt werden. Ebenfalls zum ersten Mal nahmen die Danish Art Workshops an den 3daysofdesign teil und schufen eine Plattform für Kunst und Design mit Exponaten von 16 Kreativen. Kuratiert von der Künstlerin und Designerin Birgitte Due Madsen war so unter anderem die Arbeiten von Laerke Ryom zu sehen, die Jeansreste für ihre Möbel verwendet, die Tischleuchte "Drop" von Michael Antrobus, die aus einem durchgehenden Gehäuse mit beschwertem Sockel gefertigt wird oder der "Water Lily + Biscuit Chair" von Jonas Lyndby Jensen aus geöltem Eichenholz, dessen kleines Kragenprofil sowohl praktisch wie chic wirkt. Im Garten des Danish Design Museums stellten derweil die Danish Design Makers aus und schufen somit ein Netzwerk für nachhaltige Designansätze – wie seitens Mater, Wehlers, again oder Kvik. Auf die Beteiligung des gemeinnützigen Verbands an der kommenden Orgatec mit dem Konzept "Design Blind Date" darf man bereits jetzt gespannt sein.

Parallel zu der Suche nach neuen Wegen im Design fehlte in Dänemark natürlich nicht der Blick zurück, wobei neben Entwürfen der 50iger und 60iger Jahre die Gestaltung der 30iger und 40iger Jahre nach vorne rückte, wie seitens Carl Hansen & Søn, der unter anderem "The English Chair" aus dem Jahr 1931 und das "Spherical Bed" von 1938 neu auflegt, beide Entwürfe stammen von Kaare Klingt. Dagmar zeigte eine Reedition des "Clam Chair", von Arnold Madsen, den dieser 1944 entworfen hat. Ganz entsprechend dem Motto "Looking back while going forward" präsentierte Skovgaard Jensen – SJ1903 eine Reihe von ikonischen Klassikern der Midcentury-Moderne wie neu aufgelegte Produktionen. Fredericia bot neben dem Wiedersehen mit etablierten Klassikern eine Schau zum hauseigenen Handwerk, kuratiert von der Designerin Maria Bruun. Diese veranschaulichte, wie die traditionelle Verarbeitung von Materialien in die industrielle Produktion integriert werden kann, um relevant zu bleiben. Ein gutes Beispiel ist die Preview der "Jota Lounge Collection" von Jasper Morrison für Fredericia, dessen zahlreiche Kissen auf einer geradlinigen Holzstruktur aufliegen, die formell in jeden Kontext passt.

"Jota Lounge Collection" von Jasper Morrison für Fredericia
Installation von Anders Sølvsten Thomsen für Møbel Copenhagen
"Bud" von Skogstad and Wærnes für Fora form
"Monolit" von Cecilie Manz für Fritz Hansen

Mit dieser großen Vielfalt an neuen Ideen und Kooperationen unterstrichen die 3daysofdesign erneut ihre hohe Stellung im Kalender der Branche und zeigten was dänisches Design parallel zum traditionellen Ausdruck sein kann. Das schnelle Wachstums des Events ist sehr erfreulich oder wie es Paula Madrid, BIG’s Global Graphic Design Manager, formuliert, die die visuelle Identität für das diesjährige Festival entworfen haben: "Wir glauben, dass wir mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Perspektiven deutlich mehr erreichen können, als im Alleingang. Wenn wir alle zusammenkommen, werden wir zu einer Art Kraftwerk." Bei dem großen internationalen Interesse die jetzigen Alleinstellungsmerkmale wie die familäre Atmosphäre, die exklusive Präsentation und die idealen Möglichkeiten zur Vernetzung weiter zu halten, ist eine Herausforderung. Das Event ist zudem längst zum Vorzeigemodell geworden und setzt als Auswahlkriterium für ausstellende Unternehmen eine kontinuierliche Verbesserung ihrer Umweltauswirkungen. Es darf daher mit Spannung erwartet werden, wie das Team der 3daysofdesign das Programm zukünftig aufstellt.

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