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Die neue Offenheit

Die diesjährigen 3daysofdesign in Kopenhagen zelebrieren ein neues Miteinander und zeigen, wie wichtig der persönliche Austausch ist.
von Alexander Russ | 21.09.2021

Das Timing könnte besser nicht sein: Am 10. September 2021 ändert Dänemark seine Corona-Auflagen und stuft Covid-19 seitdem nicht mehr als gesellschaftskritische Krankheit ein, weshalb alle verknüpften Restriktionen entfallen. Ein idealer Auftakt für die diesjährigen 3daysofdesign in Kopenhagen, die ganz traditionell in den Showrooms, Galerien und Ausstellungen der Stadt in einer dreitägigen Tour zelebriert werden können. Erster Stopp an Tag eins ist das 2015 gegründete Label New Works mit ihrem Showroom in der Nähe von Schloss Amalienborg und der Frederikskirche. Dort prägen vor allem natürliche Materialien wie Holz und Stein die Kollektion. Hinzu kommt die filigrane Papierleuchte "Tense" oder die neue, von John Astbury entworfene Lampe "Margin", deren mehrschichtiger Stoffbezug sowohl im beleuchteten wie auch unbeleuchteten Zustand eine skulpturale und zurückhaltende Präsenz bietet.

Die Leuchten "Tense" und "Margin" von New Works

Im Showroom von Magnus Olesen ist das genaue Gegenteil angesagt: Hier treffen Kunst und Design in einer wilden Mischung aufeinander. Der Berliner Künstler Fritz Bornstück hat den Stuhlklassiker "8000 Series" aus dem Jahr 1981 in eine expressive und farbenfrohe Skulptur übersetzt, die Assoziationen an sein Entstehungsjahr wecken soll. Passend dazu legt Magnus Olesen die "8000 Series" in der ursprünglich von den Designern Rud Thygesen & Johnny Sørensen vorgeschlagenen Farbkollektion auf, die damals ironischerweise als zu gewagt empfunden wurde und vom Label abgelehnt worden war.

Der Stuhlklassiker "8000 Series" von Magnus Olesen als farbenfrohe Skulptur

Weiter geht es in die Frederiksgade 1, wo mehrere Labels wie &drape, Møbel Copenhagen, Nuura, Mazo und dk3 ihren Sitz haben. Bei den beiden letztgenannten spielt aktuell vor allem das Thema Reedition eine Rolle – sei es die Wiederentdeckung der Entwürfe des Architekten Magnus Læssøe Stephensen in Form der "TMBO Collection" bei Mazo oder die Wiederauflage dänischer Designklassiker bei dk3. Dazu zählen zum Beispiel der "Pia Chair" und das Regalsystem "Royal System" von Poul Cadovius, deren handwerkliche Präzision den Originalen durchaus zur Ehre gereicht.

Der "Pia Chair" und das Regalsystem "Royal System" von dk3

Lunch gibt es dann passenderweise bei Multiform. Die 1982 in Aarhus gegründete Firma bietet hochwertige, individuell angefertigte Küchen in Zusammenarbeit mit Fredericia, Louis Poulsen, Gaggenau, Vola und Dornbracht an, die eine minimalistisch skulpturale Ausstrahlung haben. Beispiele sind der Klassiker "Form 1" mit seinen länglichen, repetitiven Schubladen aus Holz oder die neue Linie "Form 45", die unter anderem mit einer Messingoberfläche erhältlich ist.

"Form 1" und "Form 45" von Multiform

Bei Astep präsentiert Alessandro Sarfatti zusammen mit David Thulstrup einen neuen Prototypen: die zylinderförmige Hängeleuchte "Isol" aus einem hellen, transluzenten Stoff, der jeweils oben und unten über Metallringe fixiert wird. Alessandro Sarfatti, das sei hier am Rande erwähnt, ist der Enkel des legendären Leuchtendesigners Gino Sarfatti. Die damit einhergehende Nähe zur Designgeschichte Italiens wird vor allem im persönlichen Gespräch deutlich, wenn er zum Beispiel begeistert von der Weitsichtigkeit des Unternehmers Camillo Olivetti und dessen sozialem Engagement schwärmt.

Die zylinderförmige Hängeleuchte "Isol" von Astep

Die Ausstellung "Ukurant Perspectives" der Design-Plattform Ukurant zeigt anschließend 17 Arbeiten von jungen DesignerInnen. Das Ergebnis ist entsprechend experimentell und angenehm losgelöst von den Restriktionen des kommerziellen Designs. Rohe Betonskulpturen wechseln sich hier mit feinmaschigen Installationen aus Kupferdraht ab und generell weht hier zum ersten Mal ein frischer Wind, der sich nicht nur mit der Vergangenheit, sondern mit der Zukunft des dänischen Designs beschäftigt. Hinter der Ausstellung steckt im Übrigen die Idee, Absolventen den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern. Wie gut das funktioniert, wird nicht nur an der diesjährigen Partnerschaft mit Muuto deutlich, sondern auch daran, dass "Ukurant Perspectives" in einer der schönsten Räumlichkeiten der 3daysofdesign stattfindet.

Tag Zwei der Tour beginnt auf dem Wasser: Mit dem Schlauchboot geht es zum Nordhavn, einem Hafenareal aus dem 19. Jahrhundert, bei dem es sich um das derzeit größte Stadtentwicklungsprojekt Skandinaviens handelt. Neben der bereits vorhandenen Fläche wird dem Meer dort zusätzlicher Baugrund durch Aufschüttungen abgerungen. Von dort geht es mit dem Auto weiter zu den Showrooms von Kvadrat und Vitra, die im selben Gebäude untergebracht und über eine Industrieglaswand mit großen Durchgängen verbunden sind. Bei Kvadrat präsentiert Peter Saville die von ihm entworfene Kollektion "Technicolour", die sich auf ein Farbspektrum bezieht, das zur Markierung von Schafherden verwendet wird und die der Designer mit einem Landschafts-Graffiti vergleicht. Sie umfasst einen Möbelstoff, zwei Vorhänge und drei Teppiche, deren subtile Farbigkeit sich erst bei genauem Hinsehen und einem entsprechenden Lichteinfall in fein abgestimmten Nuancen offenbart.

Bei Vitra erwartet einen dann CEO Nora Fehlbaum, die zuvor mit dem Rad gekommen ist und zusammen mit Erwan Bouroullec in den von ihm entworfenen Showroom einlädt. Passenderweise öffnet sich dazu auch der wolkenverhangene Himmel und beim Betreten der luftigen Räumlichkeiten fällt der Blick sofort auf die gegenüberliegende Glasfläche und das in der Sonne glitzernde Wasser dahinter – ein wunderbarer Rahmen, um Produkte zu präsentieren. Dazu zählen zum Beispiel der neue "HAL Lounge Chair" von Jasper Morrison oder die Vitra Accessories Collection mit der Aufbewahrungsbox "Locker Box" oder dem Hocker "Chap", beide von Konstantin Grcic.

Als nächstes geht es mit dem Auto zurück in die Innenstadt zu Petersen Tegl. Architekt Peter Zinck zeigt dort eine Präsentation, die nicht nur auf das beeindruckende Portfolio der dänischen Firma verweist, sondern auch einen unterhaltsamen Einblick in die Zusammenarbeit mit den Architekten bietet. So erfährt man zum Beispiel, dass die grünliche Farbe des "Kolumba-Ziegel", den Petersen Tegel zusammen mit Peter Zumthor für das Kolumba-Museum in Köln entwickelte, einem Produktionsfehler geschuldet ist. Den musste der Überperfektionist Zumthor aufgrund des vorhandenen Zeitmangels schlicht hinnehmen und anscheinend können auch auf diese Weise architektonische Meisterwerke zustande kommen. Deutlich abstrakter wird es dann im Showroom von Linie Design, die ihre handgemachten Teppiche wie Kunstobjekte an der Wand befestigt haben und deren grafische Muster zusätzlich als Skulpturen im Raum verteilt sind. Hinzu kommt eine Performance, bei der sich zwei Tänzer im räumlichen Spannungsfeld von Design und Kunst bewegen. Die Tour endet schließlich im Showroom von Boffi, wo japanische Handwerkskunst gefeiert wird.

Die handgemachten Teppiche von Linie Design

Am nächsten Morgen geht es mit dem Fahrrad in die Stadt: Erste Station ist der norwegische Farbhersteller Jotun, der einen Einblick in seine neuen Farbwelten für den Interiorbereich gibt, die unter anderem von den Arbeiten des Innenarchitekten Axel Vervoordt und der Kochkunst der buddhistischen Nonne Jeon Kwang inspiriert sind. Der nächste Halt ist dann das dänische Label Umage, das seinen Showroom am Hafen hat. Blickt man von dort aus dem Fenster, sieht man die Luxusyacht Dannebrog von Königin Margarethe II. und die von BIG entworfene Müllverbrennungsanlage Amager Bakke. Umage sind eher ersteres, obwohl die Möbel nach dem Ikea-Prinzip funktionieren und in ihre Einzelteile zerlegbar sind. Ein Beispiel ist der Loungesessel "A Conversation Piece", dessen Rückenlehne austauschbar ist, woraus sich vielfältige gestalterische Optionen ergeben. Die Verpackungen für die Möbelteile sind dabei Teil des Designs und können auch als Aufbewahrungsboxen verwendet werden.

Der Loungesessel "A Conversation Piece" von Umage

Die Tour endet schließlich auf einem ehemaligen Kasernengelände, das man vom Nyhavn über eine der neuen Fahrradbrücken erreicht. Hier sind mehrere Showrooms im sogenannten D Studio untergebracht, mit einer Mischung aus dänischen und italienischen Marken wie Louis Poulsen, B&B Italia, Maxalto, Arclinea oder Flos. Das Zusammenkommen von Italien und Dänemark repräsentiert auch den supersalone und die 3daysofdesign, die neben weiteren Events in diesem Jahr eine Spur von Normalität in die Designszene bringen. Dabei war den Dänen die Freude über den internationalen Besuch deutlich anzumerken und es bleibt zu hoffen, dass es so weitergeht – denn beide Veranstaltungen haben bereits deutlich gezeigt, wie wichtig der persönliche Austausch für die kreative Zusammenarbeit ist.