Drei Fragen an Stefan Diez
Anna Moldenhauer: Stefan, inwieweit unterscheidet sich die Beleuchtungskollektion "Plusminus" von dem einstigen Prototypen?
Stefan Diez: Auf den ersten Blick überhaupt nicht, aber im Detail haben wir praktisch alles verändert. Angefangen vom Aufbau des Gurtes bis zu der Art und Weise, wie die Leuchten mittels eines Clip-Verbindungssystems an diesem fixiert werden. Das funktioniert nun an jeder beliebigen Position und ist kinderleicht. Auch die Lichtqualität der LEDs konnten wir enorm verbessern. Zudem bieten wir in Kürze auf der Webseite von Vibia einen umfangreichen Konfigurator an. Jede Komponente von "Plusminus" ist im System miteinander kompatibel. Die Kollektion "Plusminus" ist ein Werkzeug, mit dessen großer Bandbreite man unglaublich viele Lichtprobleme in den Griff bekommen kann. Ich denke es bedarf heute für die ArchitektInnen und BeleuchtungsdesignerInnen einer Investitionssicherheit, und "Plusminus" bietet diese. Vibia hat in diesem Sinne für die hauseigene Produktion der Leuchte sogar eine eigene Etage eingerichtet. In der nächsten Zeit werden wir das System in einigen Ausstellungen präsentieren, unter anderem in der Design Post während der imm cologne 2022.
Gab es mit Blick auf die textile Halterung eine Herausforderung in der Konstruktion, die ihr für die Markteinführung lösen musstet?
Stefan Diez: "Plusminus" basiert auf einem elektrisch leitfähigen Textilband und einer Vielzahl von Leuchtmitteln, welche an jeder beliebigen Stelle des Bandes positioniert und immer wieder repositioniert werden können. Das Band wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Textile Prototyping Lab aus Berlin und der Textildesignerin Karina Wirth speziell für "Plusminus" und Vibia entwickelt. Auch wenn mehrere Leuchtmittel an einem Gurt montiert sind, lässt sich jede Lichtquelle separat ein- und ausschalten, sowie dimmen. Das Textilband ist extrem zugfest, so dass es über viele Meter hinweg straff gespannt, oder lose verlegt werden kann, wobei sich die Bänder auch berühren dürfen. Zum Befestigen und Spannen der Bänder gibt es eine Vielzahl von Komponenten.
Das textile Element war in vielerlei Hinsicht ausschlaggebend. Die Stromführung ist so von außen unsichtbar in das Textilband eingewebt. Die Leuchtmittel verbinden sich mit den Leiterbahnen über eine Kupplung. Mit solchen Kupplungen lassen sich die Bänder untereinander verbinden. Auch wenn sich die Bänder berühren, kommt es zu keinem Kurzschluss, so dass diese beliebig locker baumelnd montiert werden dürfen. Gemeinsam mit dem The Textile Prototyping Lab konnten wir den Textilgurt, der die elektrische Leitfähigkeit bietet und an dem die Leuchten einfach intuitiv angeclipt werden, in unterschiedlichen Ausführungen entwickeln. Die Verknüpfung unserer Expertisen für das Projekt war dabei unglaublich hilfreich. Um eine Produktidee frei zu entwickeln, braucht es als DesignerIn eine Art der Schützenhilfe und die war somit gegeben. Über die kreative Vernetzung lässt sich mit wenig Aufwand viel Potenzial entfachen.
Mit einer großen Auswahl an unterschiedlichen Beleuchtungslösungen bietet "Plusminus" einen perfekten Baukasten für die Innenraumbeleuchtung – was fasziniert dich generell an flexiblen, modularen Designs?
Stefan Diez: Der kreative Spielraum wird einfach viel größer. Im Vergleich zu einem in sich geschlossenen Produkt kann man mit einem Baukasten auf die unterschiedlichsten räumlichen Situationen individuell reagieren. So bezieht man die ArchitektInnen und LichtgestarterInnen in den kreativen Prozess mit ein. Ein umfangreicher Baukasten erlaubt es uns, die Dinge grundsätzlich auf eine andere Art anzugehen. "Plusminus" emanzipiert die Lichtinstallation von der Architektur und lässt sich extrem vielseitig immer wieder zu neuen Konfigurationen zusammenstellen und erweitern. Viele gängige Praktiken, zum Beispiel die elektrische Installation in Räumen, beruht in weiten Teilen immer noch auf Prinzipien, die vor 100 Jahren entstanden sind. Unsere Herangehensweise sollte grundsätzlicher sein – dazu gehört es, Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Wenn wir in größeren Dimensionen denken, werden Projekte zwar meist kostspielig und brauchen ihre Zeit, aber dafür kommen im glücklichen Fall Lösungen zustande die substanziell völlig anders sind als die bisherigen. "Plusminus" ist eine eigene Biosphäre. Mit Vibia haben wir zudem einen Partner für dieses Projekt gefunden, der mit Leidenschaft bei der Sache ist und für die gemeinsame Idee brennt. In sehr enger Zusammenarbeit mit Vibia und Arthur Desmet ist über fast vier Jahren so dieses umfangreiche System entstanden.