Uta Abendroth: Sie sind bekannt für ihre Entwürfe für Firmen wie Flos, Magis, Venini, Cappellini, Established & Sons, ClassiCon und Vitra. Mit Knoll erweitern Sie Ihr Auftraggeber-Portfolio um einen der ganz großen Hersteller von Designikonen.
Jay Osgerby: Ja, diese Sofa- und Tisch-Kollektion ist unsere erste für Knoll. Es ist überhaupt das erste Mal, dass wir mit einem amerikanischen Hersteller zusammengearbeitet haben.
Wie ist die Kooperation zustande gekommen?
Osgerby: Wir haben vor Jahren mal einen Brief an Knoll geschrieben, uns als in Großbritannien ansässiges Designstudio vorgestellt und unser Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Aber wir haben nie eine Antwort erhalten. Dann, vor ungefähr zweieinhalb Jahren, kam ein Anruf aus Amerika, ob sie uns mal in unserem Studio besuchen könnten. Ich weiß nicht mal, ob sich dieser Besuch auf den Brief bezog, aber so haben irgendwie beide Seiten einen Anlauf in Sachen gemeinsames Arbeiten genommen.
Und wie sind Ihre Erfahrungen mit Knoll?
Osgerby: Es war sehr interessant mit Knoll, denn in Amerika arbeiten sie ganz anders, als wir es gewohnt sind. Sie gehen von Anfang an sehr systematisch vor, wissen genau, welche Preislage sie treffen wollen und haben das Projekt mit einem sehr konkret formulierten Auftrag und engen Richtlinien gestartet. In diesen Grenzen kann man gut arbeiten. Ich finde es eher schwierig, wenn alles offen gelassen wird. Wir als Designer sind doch am Ende Problemlöser, die Antworten finden auf die Fragen, die am Anfang gestellt worden sind. Knoll ist ein wirklich großes Unternehmen und die Zeiten sind für diese Firma gerade extrem interessant, denn es findet derzeit so eine Art Renaissance statt. Möbelklassiker genießen einen hohen Stellenwert und Knoll hat all diese fantastischen Möbel von den besten Architekten und Designern des 20. Jahrhunderts. Wir wollten uns bei unserem Projekt darauf beziehen. Deshalb gibt es bei unserem Sofasystem Elemente mit Anklängen an den Florence Knoll-Stil. Dieser gerade, rechtwinklige Stil wirkt auf eine gewisse Art und Weise im Raum sehr ruhig und unaufgeregt. Umso wichtiger sind die schönen Details, die Ausgewogenheit und die Proportionen.
Was war denn der Ausgangspunkt für die „Edward Barber and Jay Osgerby Collection for Knoll“?
Osgerby: Die Idee war die Gestaltung eines komfortablen und schönen Polstermöbels. Es musste in das Portfolio der Firma passen und wir wollten Bezug nehmen auf die anderen Möbel von Knoll. Polstermöbel sind die größten Einrichtungsgegenstände in einem Raum und gerade deshalb muss man sehr vorsichtig sein, dass man es in Sachen Design nicht übertreibt. Nicht alle von uns wollen mit großen Statements leben, sondern mit Möbeln, die kultiviert und im gestalterischen Sinne leise daherkommen. Eine Couch muss komfortabel sein, denn schließlich gibt es Tage, die man von morgens bis abends darauf verbringt. Man guckt Fernsehen, schmust oder tobt mit den Kindern, isst dort sein Abendbrot. Ein Sofa ist heute längst nicht mehr so ein formales Ding wie früher, sondern eher eine Art Wohn-Plattform.
Und was ist nun das Highlight bei Ihrem Entwurf?
Osgerby: Wir haben uns ein Element ausgedacht, bei dem es wirklich um Design geht: den Fuß aus Aluminiumguss. Für dieses Detail bedurfte es eines richtigen Konstruktionskonzeptes. Alle Elemente des Sofas kommen an dieser Stelle zusammen. Lehne, Seitenteil und so weiter bleiben bleiben zwar einzelne Komponenten, aber sie werden dort mechanisch zusammengebracht und so bekommt der Fuß den Status eines visuellen Knotenpunktes, der deshalb auch in verschiedenen Farben erhältlich ist.
Wie würden Sie das Sofa sonst beschreiben?
Osgerby: Wir haben eine ganz einfache, lineare Form gewählt. Die rechtwinklige Silhouette wirkt visuell weicher, weil die Polster gerundet sind und so ein bisschen wie aufgeblasen wirken. Das Sofa, das es wahlweise mit verschiedenen Stoff- oder Lederbezügen gibt, ist sehr tief – und so muss sich jeder, abhängig davon, wie lang seine Beine sind, mehr oder weniger Kissen in den Rücken stopfen. Die wohnlichere Version hat eine hohe, die Contract-Variante eine niedrige Rückenlehne.
Und dazu haben Sie noch ein paar Accessoires entworfen?
Osgerby: Ja, wir hatten die Chance, noch andere, zu den Sofas passende Produkte zu gestalten. Der Hocker und die dreibeinigen Tische sind wie der Sofafuß aus Aluminiumguss. Die Tischoberflächen sind aus schwarzem oder weißem Marmor, weißem Glas oder Leder. Wir sind sehr glücklich mit diesen unaufdringlichen Objekten.
War es in Ihrer Karriere ein weiter Weg bis hierher?
Osgerby: Und wie! Das erste Ding, das wir gemacht haben, war ein Tisch für Cappellini. Zu unserer großen Überraschung ging das Möbel sofort in die Sammlung des Victoria & Albert Museums in London und in die des Metropolitan Museum of Art in New York. Damals dachten wir ‘Oh, das ist ja einfach!‘ und wir wollten diesen Erfolg fortsetzen. Aber dann passierte erstmal nichts mehr...
Das klingt frustrierend.
Osgerby: Allerdings, das war wirklich hart. Vielleicht hätten wir mehr davon profitieren und ein Ding nach dem nächsten machen können. Aber Ed und ich arbeiten jetzt seit siebzehn Jahren zusammen und wir haben gar nicht so viel gemacht. Wir beide brauchen immer sehr lange, weil wir versuchen, die Dinge richtig zu machen. Unser Designprozess sieht so aus, dass wir wirklich reflektieren, was wir da machen. Die Konsequenz daraus ist, dass wir nicht besonders viel produzieren. Wir sind eher langsam.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Ed denn konkret aus?
Osgerby: Meistens sitzen wir zusammen an einem Tisch. Ich male etwas – ich male und zeichne eigentlich immer, Zeug, das nie realisiert werden wird. Ed sieht das von der anderen Seite und dann fangen wir an, darüber zu reden. Unser Prozess besteht überwiegend aus Kommunikation. Die Idee entwickelt sich anschließend wie ein Schneeball. Wenn ein Projekt wächst, dann kommen nach und nach mehr Leute dazu, schließlich auch der Hersteller. Es ist ein großer Sprung von einer Idee zu etwas Realem.
Welches Produkt würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen?
Osgerby: Wie gesagt, das erste Projekt war ein Triumph. Erst später haben wir verstanden, dass der Erfolg sehr viel mit Glück zu tun hatte. Auf der Durststrecke, die danach kam, haben wir unsere Lektion gelernt. Es geht ja nicht nur darum, gute Idee zu haben. Sie müssen erstmal umgesetzt werden. Wir wollen keine modischen Objekte machen, sondern Dinge, die für Jahrzehnte in Gebrauch sind. Und als Designer muss man sich wirklich Gedanken darüber machen, was man tut, man hat eine Verantwortung. Aber in letzter Zeit hatten wir ein paar tolle Erfolge: Wir waren und sind sehr stolz, dass wir unter tausend Designern den Wettbewerb für die olympische Fackel gewonnen haben. Das hat uns eine Menge Aufmerksamkeit gebracht, und zwar auch von Leuten, die sonst nichts mit Design zu tun haben. Dann haben wir gerade anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der London Underground eine Zwei-Pfund-Münze entworfen. Davon werden 18 Millionen Stück produziert. Und dann ist da noch der Tip Ton-Stuhl für Vitra.
Vitra, einer Ihrer Lieblingspartner?
Osgerby: Oh ja! Wir werden dieses Jahr noch vier oder fünf neue Produkte mit Vitra realisieren. Hoffentlich findet die Premiere im September in London statt. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen...
Wen hätten Sie denn sonst noch gerne als Kunden?
Osgerby: Da fällt mir keiner ein. Es ist tatsächlich so, dass wir mit all den Leuten kooperieren, mit denen wir gerne zusammenarbeiten möchten. Wir sind glücklich mit B&B Italia, Vitra, Knoll und Flos. Das sind die besten Firmen, die haben das beste Erbe und die Art der Auseinandersetzung ist sehr tiefgründig. Gerade bei Knoll wird viel über unsere gesellschaftliche Verantwortung geredet und nicht über Massenproduktion.
Haben Sie denn trotzdem noch einen offenen Design-Wunsch?
Osgerby: Was ich wirklich gerne gestalten würde, ist eine Brücke oder ein sehr kleines Haus, eines wie ein Objekt. Aber ich bin glücklich und unglaublich dankbar für das, was Ed und ich erreicht haben.