Nach dem Studium gründete Diébédo Francis Kéré in Berlin sein eigenes Büro Kéré Architecture.
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Fragen an
Diébédo Francis Kéré 07.06.2013 Diébédo Francis Kéré steht wie kaum ein anderer für Bauen mit Lehm. 1965 in Burkina Faso geboren, kam er als junger Mann nach Berlin, um an der Technischen Universität Architektur zu studieren. Für sein Engagement in Entwicklungsländern wurde Kéré bereits mehrfach ausgezeichnet, 2004 mit dem Aga Khan Preis für sein Grundschul-Projekt in Gando, 2012 mit dem Global Holcim Award 2012 for Sustainable Construction. Zuletzt machte sich der in Berlin ansässige Architekt einen Namen mit dem Projekt "Operndorf Afrika" des 2010 verstorbenen Theaterregisseurs Christoph Schlingensief. Özlem Özdemir sprach mit Kéré über das Bauen mit Lehm, den Wissenstransfer nach Burkina Faso und die Verantwortung eines Architekten, die eigene Kultur zu bewahren. Özlem Özdemir: Herr Kéré, Sie waren das erste Kind aus Ihrem Dorf, das zur Schule ging. Es folgte eine Ausbildung zum Tischler, danach gingen Sie nach Berlin, um Architektur zu studieren. Wie kam es dazu? Diébédo Francis Kéré: Ein Jahr nach der Berufsausbildung habe ich gehört, dass der Deutsche Entwicklungsdienst Stipendiaten sucht. Und so bewarb ich mich und wurde auch genommen, und zwar in Berlin. Ich habe an eine Fortbildung teilgenommen, die dauerte zwei Jahre und ich sollte zurück nach Burkina Faso. Ich komme aber aus einer sehr großen Familie und die Erwartungen in der Heimat sind viel, viel größer als man sich das hier vorstellen kann. So beschloss ich, dazubleiben und zu schauen, dass ich eine standfestere Ausbildung mache. Es war ein Leben voller Hoffnung, voller Kämpfe, voller Unsicherheit. Man wusste ja nie, ob man das überhaupt schafft. Bekannt geworden sind Sie durch Ihr Diplomprojekt, eine Schule für Ihre Heimatdorf Gando. Kéré: Das Schulprojekt war eigentlich nicht meine Diplomarbeit. Ich habe nach dem zweiten Ausbildungsjahr, also bereits nach dem Grundstudium dieses Projekt entwickelt. Ich habe mich darauf konzentriert, alte Techniken zu studieren. Ich bin in Berlin und Umland unterwegs gewesen, herumgereist und habe alte Produktionsstätten von Ziegeln besucht und Gruben, wo man Lehm oder Ton gewonnen hat für Ziegel und Keramiken. Als ich nach einem Jahr Hauptstudium das Gefühl hatte, für meine Heimat, nicht für Architektur insgesamt, nur für meine Heimat, genug Wissen gesammelt zu haben, da wollte ich eigentlich gehen. Als Sie anfingen die Grundschule in Gando zu bauen, hat sie die ganze Dorfbevölkerung nicht ganz ernst genommen, stimmt das? Kéré: Ja, sie haben gesagt: „Mensch, Francis, hast du deinen Realitätssinn völlig verloren? Du weißt, dass ein Lehmgebäude nicht eine Regenzeit überstehen kann, eine ganz normale kleine Hütte übersteht ja kaum eine Regenzeit. Und jetzt kommst du und willst so was Großes, was normalerweise aus Beton oder Zement entsteht, aus Lehm bauen?“ Da waren sie wirklich sehr skeptisch. Aber, wir haben’s geschafft! Hat sich durch Ihre Architektur das Dorf verändert? Sie arbeiten nach einem Prinzip: Die meisten Bauwerke entstehen in Gemeinschaftsproduktion. Ist das aus der Not heraus geboren oder hat es traditionelle Gründe? Kéré: Beides. Ein Mann alleine oder eine Frau alleine kann nie die Fülle der Arbeit, die notwendig ist bei einem Hausbau, bewerkstelligen. Im Dorf haben wir noch Tauschwirtschaft. Du hilfst mir, meine kleine Hütte zu bauen und dann gebe ich dir zwei Hühner, dann koche ich Bohnen für die anderen Helfer. Gemeinschaftlich arbeiten ist die Grundlage meiner Kultur. Das ist das eine, aber ich wollte auch, dass das Gebäude mit wenig Geld errichtet wird. Heute sehe ich: Es ist sehr wichtig, dass die Gemeinschaft ihre Schule selbst baut. Die Schule ist kein Fremdkörper, auch wenn sie modern aussieht. Sie haben einmal etwas sehr Prägnantes gesagt: „Was vor Ort ist, wird zum Bauen genutzt.“ Kéré: Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Teure Sachen nur wenn es nicht anders geht, wenn es die Tragstruktur verlangt. Aber ansonsten ist es doch die einfachste Art und Weise zu bauen: Man nimmt, was am meisten vorhanden ist und macht daraus ein Gebäude. Genau das hat mich dazu geführt, Lehm einzusetzen. Sie haben für Ihr neues Projekt, dem „Collège de Gando“, ein Gymnasium für etwa 1000 Schüler, Lehm zu Fertigteilen verarbeitet. Wie kam es dazu? Kéré: Ich versuche immer wieder, Innovation zu schaffen. Bei der ersten Schule sind die Lehmsteine veredelt worden, indem ich dem Lehm bis zu acht Prozent Zement beigemengt habe. Bei der zweiten Schule wurde ich plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Also habe ich gesagt, wir machen es „tout-venant“, das bedeutet, den Lehm direkt aus der Grube und den Sand direkt aus dem Flussbett zu nehmen , zusammen zu mengen mit Kies und Zement und dann zu gießen wie Beton. Das würde den Arbeitsaufwand reduzieren. Man hat mehrere Tests gemacht. Das ist immer wichtig bei meiner Arbeit, die Leute sollen sehen, dass es läuft und dann (Kéré klatscht in die Hände, Anm.d.Red.) haben sie’s gemacht und es funktionierte. Dann bin ich abgezogen, sie sind geblieben und haben einfach alleine weitergemacht. So ist meine Arbeit! Wie wichtig ist Ihnen Wissenstransfer? Besser gefragt, wie bewusst ist Ihnen dieser Transfer? Kéré: Am Anfang gab es nur diesen Herzenswillen. Ich habe das als meine Aufgabe betrachtet, mich für die Belange der Gemeinschaft zu engagieren. Aber mittlerweile sehe ich, dass ich in der Arbeit eigentlich ganz unbewusst Wissen von Deutschland nach Gando übertrage, denn wir haben eine Menge Menschen geschult in den Bautechniken, und diese Leute verdienen Geld damit, indem sie auf mehrere Baustellen in Burkina Faso und auch in den Nachbarsländern arbeiten. Ich habe den Bauern beigebracht, wie man Lehmsteine einfach schichtet, wie man Lehm vorbereitet, bis hin, dass wir nun aus Lehm fast Betonwände herstellen können. Ich habe das unbewusst gemacht, ich habe so etwas nie geplant. Die Beziehung zwischen dem geografischen Klima Ihres Landes und dem Raumklima Ihrer Bauten ist zentral bei Ihnen. Die Lehrergebäude werden als die Kühlschränke von Gando bezeichnet. Kéré: (lacht) Das stimmt. Das Wichtigste ist natürlich für einen Klassenraum, dass das Klima darin das Lernen und das Lehren positiv beeinflusst. In einem Raum, in dem mehr als 40 Grad herrschen, können Kinder nicht lernen. Ich habe als Kind in einer solchen Klasse gesessen, das war ein Brutkasten. In meinen Bauten versuche ich dieses Klima zu verbessern. Daher habe ich Öffnungen, ein Doppeldach-System, damit eine natürliche Ventilation stattfindet. Denn wir können unmöglich in Burkina Faso, einem Land, welches zu den Ärmsten der Erde zählt, fossile Energie einsetzen, um Räume zu kühlen. Diese besondere Dachkonstruktion, die immer wiederkehrt in Ihrer Arbeit, wie Sind sie auf diese Idee gekommen? Kéré: Also, ich wollte ein großes Dach schaffen, um die Lehmwände gegen Erosion, gegen Regen zu schützen, aber gleichzeitig gegen Überhitzung durch Sonnenstrahlung. Dann sollte es auch Luftbewegung herbeiführen. Die Dachhaut ist sehr dünn und erhitzt sich sehr schnell. Und die Luft bleibt im Dachraum stecken. Aber da die Luft so heiß geworden ist und das Dach geneigt ist, entweicht sie durch die Öffnungen im Dachraum und die nachströmende Luft sorgt für Frische. Sie müssen eine Schule besuchen, Sie werden sagen: „Mensch, wo hat der den Ventilator versteckt?“ Sie müssen nur dafür sorgen, dass sie Lamellenfenster haben, dann strömt frische Luft nach. Ganz einfach! Mir ist beim Anblick Ihrer sehr charakterisitischen Dachkonstruktionen ein anderer Architekt eingefallen, der auch in einem heißen Kontinent arbeitet: Glenn Murcutt. Kéré: Glenn Murcutt ist mein großes Vorbild! Ich kenne ihn auch und bewundere seine Arbeit. Das erste Buch über einen noch lebenden Architekten, das ich mir gekauft habe, das war von Glenn Murcutt. Ich liebe seine Arbeit. Natürlich, Kritiker sagen, dass er zu teuer ist. Aber für mich sind seine Gebäude ganz klar lesbar. Da ist eine Klarheit in der Sprache, ganz leicht, nicht kompliziert. Sehr viele Länder weisen eine lange Geschichte des Lehmbaus auf und trotzdem ist sie in der Gegenwartsarchitektur nicht stark vertreten. Wodurch könnte man den Lehmbau attraktiver machen? Kéré: Es ist nicht einfach, weil wir ein Diktat der globalen Architektur haben, der Baustoffe und der Formen. Jeder von uns ist gefragt, das zu tun, was lokal am besten funktioniert und nicht der Mode nachzueifern. Es ist an jedem von uns, dass er zweimal überlegt, Mensch, warum muss ich so bauen wie in New York? Es gibt sicherlich Nutzgebäude, die nicht anders funktionieren, die mit Lehm nicht zu bewerkstelligen sind, z.B. ein Flughafen oder ein Hochhaus. Wir müssen tätig werden und beispielhafte Lehmhäuser schaffen, dann wird es in Ländern, in denen Lehmarchitektur eine Tradition hat, auch wieder Mode, dass viele Leute gerne in Lehm leben. Wie kann man die Menschen davon überzeugen? Kéré: Wissen Sie, wenn wir eine Elite haben und wenn diese anfängt zu hüpfen, auf einem Bein und wir machen das nach, dann muss sich diese Elite auch ihrer Sache bewusst werden. Meistens haben wir nicht die Möglichkeit, diesen Trend richtig umzusetzen. Das ist der Fall in Burkina Faso, wir bauen Hochhäuser und wir können nicht mal gut mit Zement umgehen. Ich weiß auch, dass in einigen Ländern wie in Ägypten Gebäude einstürzen, weil man einfach nur ein Stockwerk immer und immer wieder aufgesetzt hat. Wenn jeder von uns anfängt, sich zu fragen, wohin führt diese Globalisierung der Architektur? Dann kann die Antwort nur lauten: Sie führt zur Einöde! Sie tötet die Kultur, die eigene Kultur. Und wenn es in einer Nation eine Lehmbautradition gibt, dann ist sie ein Teil der Kultur. Wenn sie verloren ist, dann haben wir uns selbst auch verloren. Das muss uns allen bewusst werden. Herr Kéré, herzlichen Dank für das Gespräch. Die Arbeiten von Diébédo Francis Kére sind vom 8. Juni bis 1. September 2013 in folgender Austellung zu sehen: www.kere-architecture.com |
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