Zwischen den schnurgeraden Apfelbaumreihen südlich von Bozen in Südtirol liegt die Zentrale des Lichttechnologieunternehmens Ewo. Der spezialisierte Familienbetrieb stellt LED-Leuchten für den Außenbereich her und operiert von dem kleinen Örtchen Kurtatsch aus weltweit: Seine raffinierten Linsenoptiken und modularen LED-Bausätze beleuchten das Rollfeld des Flughafens von Melbourne, den Markusplatz in Venedig oder den Platz vor dem „St. Martin Tower“ in Frankfurt am Main. Auf der Light+Building 2016 stellt Ewo die neue Leuchtenfamilie „GO“ vor – sie wurde mit dem Designer Jörg Boner entwickelt und beleuchtet Straßen, Parks oder Plätze. Im Gespräch mit Sandra Hofmeister erläutert Hannes Wohlgemuth, Marketingchef von Ewo und Sohn des Unternehmensgründers Ernst Wohlgemuth, die Hintergründe der Entwicklung.
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Im Gespräch: Hannes Wohlgemuth
12.03.2016
Sandra Hofmeister: Ihre neue Leuchtenfamilie „GO“ wurde von Jörg Boner gestaltet. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Züricher Designer?
Hannes Wohlgemuth: Eines unserer ersten „ewoLAB“-Projekte, mit denen wir regelmäßig die Kooperation mit Künstlern, Designern und Kreativen suchen, haben wir vor fünf Jahren in Zusammenarbeit mit der École cantonale d’art de Lausanne (ECAL) umgesetzt. Jörg Boner war damals Professor an der ECAL und unser Ansprechpartner. So haben wir uns kennengelernt und arbeiten seitdem kontinuierlich zusammen. 2012 haben wir die gemeinsam entwickelte Leuchte „UN“ vorgestellt. In diesem Jahr präsentieren wir mit „GO“ die zweite Leuchtenfamilie von Jörg Boner. Er berät uns auch bei verschiedenen anderen Projekten und Produkten – seit dem ECAL-Projekt stehen wir in ständigem Austausch.
Licht im Außenbereich hat es in puncto Design oft nicht einfach. Der Leuchtkörper tritt meistens hinter die Lichtwirkung. Sein Design wird dadurch quasi unsichtbar…
Hannes Wohlgemuth: Genau das haben wir in den letzten Jahren beobachtet. Wir hatten im Rahmen der „ewoLAB“-Reihe auch mit Architekten wie Plasmastudio oder Julien De Smedt zusammengearbeitet und unseren Fokus dabei auf den formalen, expressiven Ausdruck der Leuchte gelegt. Doch diese Perspektive kann sich längerfristig im Außenbereich nicht bewähren. Unsere Produkte werden immer in einem spezifischen Kontext eingesetzt, und letztlich sind die Lichtwirkung und ihr Kontext wichtiger als das auffällige Design des Leuchtkörpers. Deshalb ist unser Ziel die Entwicklung von Leuchten, die sich harmonisch und unauffällig in ihre Umgebung einfügen. Dies bedeutet auch, dass sich das Autorendesign per se nicht in den Vordergrund drängen darf. Wir wollen zurückhaltende, gut gestaltete Lösungen finden, die zu jedem Kontext passen.
Jörg Boner ist bekannt für sein präzises und nüchternes Design – auch bei „GO“ ist seine Handschrift erkennbar. Wo lag aus Herstellersicht die Herausforderung, die LED-Technologie mit guter Gestaltung für eine Leuchte im Außenbereich zu verbinden?
Hannes Wohlgemuth: Mit „GO“ sind wir ganz neue Wege in der Gestaltung gegangen und haben uns für eine Form entschieden, die es bislang in diesem Umfeld nicht gab. Wir wollten den Leuchtkörper soweit wie möglich aus dem Blickfeld nehmen und haben seine Dimensionen deshalb stark reduziert. Die LED-Technologie kam uns dabei zur Hilfe, wir haben ihre Vorteile vollends ausgeschöpft. Allgemein ist es im Umgang mit LEDs sehr wichtig, die technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Technologie und ihre Wirkung gut entfalten können. Die Wärme muss möglichst effizient von der Lichtquelle abgeleitet werden, um die lange Lebensdauer der LEDs auch zu gewährleisten. Außerdem hat der Lichtkegel eine spezifische Ausstrahlcharakteristik, die wiederum konkrete Dimensionen für den Leuchtkopf vorgibt. Je flacher das Licht strahlen soll, desto breiter muss der Leuchtkopf sein. Mit „GO“ ist es uns gelungen, den Leuchtkopf auf nur zehn Zentimeter Breite zu reduzieren und trotzdem die gewünschte Lichtwirkung zu erzielen.
Eine der Schlüsselkompetenzen von Ewo ist ein Baukastenprinzip, mit dem unterschiedliche Komponenten der Optik je nach gewünschter Lichtwirkung eingesetzt und kombiniert werden können. Gilt dies auch für „GO“?
Hannes Wohlgemuth: Auch hier können für Situationen wie Parks, Plätze oder Straßen unterschiedliche Linsenoptiken eingesetzt werden, die jeweils optimal für den konkreten Kontext sind. Aktuell haben wir außerdem eine Linse speziell für Fahrradwege entwickelt, deren Lichtkegel schmal und langgezogen ausfällt. Alle diese Varianten waren eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Gehäuses von „GO“. Denn sämtliche optische Komponenten müssen in dem kleinen Leuchtkopf Platz haben und ihre Wirkung entfalten können. Außerdem sind auch weitere Elemente aus dem Baukasten möglich. Die Lichtstärke kann beispielsweise über die Anzahl der Technologiebausteine reguliert und das Licht per Software gesteuert werden. Die reduzierte Form des Leuchtkörpers bleibt immer dieselbe, die Technologie allerdings kann je nach Kontext variieren.
Foto © Tamara Larcher/ ewo
„GO“ ist eine Leuchte für unterschiedliche Situationen im Außenbereich. Inwiefern passt ihr Design zu einem wechselnden urbanen Kontext?
Hannes Wohlgemuth: Es war uns wichtig, eine formale Kohärenz im Stadtraum zu ermöglichen. In der Regel fällt der urbane Raum recht unterschiedlich aus, was die verschiedenen Lichtanforderungen betrifft. Es gibt Parksituationen, Wege und Straßenkreuzungen... und sie alle brauchen anderes Licht. Das Licht von „GO“ kann auf all diese unterschiedlichen Situationen reagieren, es lässt sich sehr präzise je nach Kontext lenken. Trotz dieser Vielfalt bleibt die Gehäuseform immer dieselbe – es müssen also keine unterschiedlichen Leuchten für wechselnde Situationen eingesetzt werden.
Der Leuchtkopf ist aus Aluminiumdruckguss gefertigt, der Mast hingegen aus Metall. Wie kommt es zu dieser Materialwahl?
Hannes Wohlgemuth: Wir haben die Möglichkeiten der Blechverarbeitung bei Ewo voll ausgeschöpft, wir lasern, schweißen und kanten Blech in verschiedenen Formen. Bei „GO“ jedoch wollten wir einen Leuchtkopf, der etwas weicher und runder ausfällt in der formalen Gestaltung als dies mit der Blechverarbeitung möglich ist. Deshalb haben wir spezielle Werkzeuge für den Aluminiumdruckguss entwickelt und uns für die Serienproduktion auf eine spezifische Gehäuseform festgelegt. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden – die Leuchte nimmt sich zurück und drängt sich nicht auf. Sie fügt sich in jeden Kontext, ist klein und gleichzeitig vielseitig, weil sie auf verschiedene Lichtsituationen erzeugen kann.