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Architekt Etienne Descloux dachte an eine französische Strandbar: „Standard“-Stühle, Tische „EM“ und „Guéridon“ von Jean Prouvé sowie „PET“-Lampen von Alvaro Catalán. Foto © Steve Herud
Die Maxie Eisen-Macher: Roy Peters, David Ardinast, Oskar Melzer und James Ardinast (von links nach rechts).
Die goldenen Vögel stammen vom amerikanischen Künstler Curtis Jeré. Foto © Steve Herud Nur das Beste: Das Pastrami-Fleisch lassen die Brüder Ardinast aus den Vereinigten Staaten importieren – und pökeln es dann hier vor Ort in Frankfurt. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Lippenstiftrot trägt der Tresen in der Bar des Maxie Eisens, daneben „Pirkka“-Hocker von Ilmari Tapiovaara (Artek).
Foto © Steve Herud Reflektionen der Nacht: „Cité“-Sessel von Jean Prouvé sowie Leuchten von Charlotte Perriand („Pivotant“) und
Alvaro Catalán („PET“). Foto © Steve Herud Farbe auch am stillen Örtchen. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Mitten im trubeligen Geschehen rund um den Frankfurter Hauptbahnhof: das Maxie Eisen. Foto © Steve Herud
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Ochsenbrust mit Oh là là
von Martina Metzner
03.03.2014 Frankfurt lebt von seinen Polaritäten. Hier die Skyline, dort die Fachwerkhäuser und mittendrin das Hauptbahnhofsviertel. Internationalität trifft Bodenständigkeit trifft Multikulti. Willkommen in der Stadt am Main, die vor rund zehn Jahren vor allem mit einer hohen Kriminalitätsrate und starken Drogenproblematik für Schlagzeilen sorgte und jetzt als hip, frisch und authentisch umjubelt wird. Für die, die es noch nicht wissen: Die „New York Times“ wählte Frankfurt kürzlich in die Liste der 52-Top-Cities, die man dieses Jahr besuchen sollte. Inklusive einem Bar-Hinweis: das neu eröffnete Maxie Eisen. Das Maxie Eisen ist so etwas wie die Krönung einer Bewegung in Frankfurts Gegend um den Hauptbahnhof, dessen Rotlichtmilieu nebst Bazaren und Kaschemmen den Gegenpol zur perfekten City bietet und so mittlerweile ganz offiziell zum In-Viertel avanciert ist. Vor rund zwei Jahren eröffneten Lokale wie das Plank, dann das Pazza Pazza, das Lido und das Walon & Rosetti. Anfang Dezember 2013 kam das Maxie Eisen dazu. An der Münchener Straße, die parallel zur Kaiserstraße verläuft, nur eine Ecke vom Plank entfernt, liegt der Laden mit dem drolligen Namen, der zwei in einem ist: ein Pastrami-Restaurant sowie eine Bar. Für die vegetarischen Leser: Pastrami ist stark gepökelte Ochsenbrust, die meist im Sandwich serviert wird – eine Speise, die die jüdische Küche in den Vereinigten Staaten Ende des 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Kenner der Gastro- und Design-Szene Dass das Maxie Eisen „durch die Decke geht“, so wie der Betreiber sagt, ist fast schon selbstverständlich, wenn man weiß, dass sich dafür die Crème de la Crème aus der Gastro- und Design-Szene in Berlin und Frankfurt verbündet haben. Die gastronomischen Macher sind die Brüder James und David Ardinast, die in den vergangenen Jahren mit ihren Ima-Bars und -Bistros zunächst in der Stadtmitte Frankfurts für Furore sorgten, dann mit Ablegern im 25h Hotel in der Niddastraße sowie in der Otto-Straße, beide im Hauptbahnhofsviertel. Fürs Interieur haben sie sich keinen geringeren als den Berliner Architekten Etienne Descloux geleistet, einen Bekannten ihres Kompagnons Oskar Melzer, der dem nischigen Pastrami-Konzept den notwendigen Design-Schliff verpasst hat. Wer den Eckladen zunächst von außen begutachtet, könnte sich denken: Ist das eine hübsche Kita – aber im Hauptbahnhofsviertel? Was da einen so bunt und fröhlich nach innen lockt, sind die farbigen „Standard“-Stühle von Jean Prouvé, die sympathischen „PET“-Strohlampen von Alvaro Catalán und eine riesige Fototapete vom Berliner Designduo Bless, die durch ihre Bergkulisse gespickt mit Ferienhäusern südliches Flair aber auch 70ies Feeling versprüht. Was ebenso zum unkomplizierten Ambiente des Maxie Eisens beiträgt, ist die offene Küche und ein überaus freundliches Personal, sodass man sich schnell wie zu Hause fühlt und glatt seine Schuhe ausziehen möchte. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, die Ganze versteckt sich hinter der verschiebbaren Spiegeltür: Dort befindet sich die Bar des Maxie Eisens. Eine vollkommen andere Atmosphäre herrscht hier, elegant und schummerig, sodass nach 22 Uhr strikt die Verbindungstür geschlossen bleibt. Bordeauxrote Wände, die in Hüfthohe abwärts mit kupferfarbenem Metall beschlagen sind. Und in der Mitte des Raumes eine zentrale, mehreckige Bar, deren rot lackierter Tresen spontan an die prallen Lippen einer schönen Dame erinnert. Für Kenner entpuppt sich auch hier der gehobene Designanspruch: An der Bar nimmt man auf „Pirkka“-Hockern von Ilmari Tapiovaara Platz, dezent in Szene gesetzt von „Pivotant“-Leuchten von Charlotte Perriand. Im hintersten Bereich dann warten zwei lässige „Cités“ von Jean Prouvé auf Nachtschwärmer. Eine zentrale Bar mit viel Blickkontakt Das außergewöhnliche Design des Maxie Eisens hat von den Gastro-Profis James und David Ardinast ein paar Zugeständnisse abverlangt: Die runden „Guéridon“-Tische von Jean Prouvé etwa, an denen bis zu sechs Personen sitzen können, sind ein ungewöhnliches Format für die Gastronomie, die vor allem auf Effizienz durch eine höchstmögliche Sitzplatzanzahl und hohe Variabilität ausgerichtet ist. Ebenso die Bar, die nicht an der Wand, sondern zentral steht und dadurch ebenso Platz für Gäste und damit eventuell Umsatz wegnimmt. Descloux erklärt es so: „Ich wollte eine Bar, wo jeder am Tresen stehen kann und in der sich viele gegenüber sitzen können.“ Eine weitere sinnliche Kommunikationskomponente sind für Descloux die Reflektionen auf Beinhöhe durch die Metallbeschläge. Und für James Ardinast sind die runden Tische letztendlich auch in Ordnung: Es habe sich gezeigt, dass sich Unbekannte zusammensetzen und so ins Gespräch kämen. Aber wieso alles Möbel aus vergangenen Jahren? Descloux sagt, dass er an eine französische Strandbar gedacht habe. Das verrät auch die Bezeichnung „Buvette“ für das Maxie Eisen. Da schienen dem Architekten mit Wurzeln in der französischen Schweiz, der gerade mit dem Projekt für das Prototyp-Appartment der Onlineplattform „Freunde für Freunde“ beschäftigt ist, die Standard-Stühle von Prouvé am passendsten. Aber nicht allein die Ausstattung macht das Maxie Eisen besonders, es ist auch der Grundriss des Eckladenlokals, das sich über 60 Quadratmeter erstreckt: Beide Räume sind durch ihre polygonale Geometrie bestimmt. Descloux war es wichtig, dieses Merkmal sichtbar zu machen, zu betonen. So schafft er mit dem sechseckigen Tresen eine Verbindung zum sechseckigen Schnitt des Restaurants. Das Interieur vom Maxie Eisen polarisiert. Weil es ungewohnt ist für Gastrokonzepte. Manchen Kritikern scheint es zu „gewollt“, also alles perfekt und bis ins Detail designt und inszeniert, um es möglichst mühelos und zufällig aussehen zu lassen. „Ja stimmt“, ist die schlichte und entwaffnende Antwort von Descloux. Er habe hier die Designkarte spielen wollen. Der Name und seine Geschichte „Gewollt“ ist beim näheren Hinschauen aber nicht nur das Design. Kurz vor der Eröffnung haben sich die Ardinast-Brüder nicht nur den Namen einfallen lassen, sondern damit auch eine Geschichte hervorgezaubert: Maxie Eisen war in den 1920er Jahren ein jüdischer Mafia-Boss in New York, der seine Tantiemen im koscheren Fleisch-, Brot- und Fischhandelsgeschäft machte. Eine perfekte Brücke also zu der Stadt, die als die große Schwester von Frankfurt gilt, in der Pastrami in Delis wie dem Katz berühmt wurde und auch Hinweis auf den kulturellen Background der Brüder gibt. Deshalb ziert auch ein Bild von Maxie Eisen samt seinen Komplizen die Wand im Restaurant. Das Mafia-Konzept lässt sich zwar in der Öffentlichkeit gut verkaufen, doch hält es vor Ort leider nicht, was es verspricht. Nicht nur, dass das Interior herzlich wenig mafiös daherkommt, so verschlägt es die zwielichtigen Gestalten Frankfurts immer noch lieber in die umliegenden Bars. Als Beobachtungspunkt ist dafür das Maxie Eisen aber nicht schlecht. MEHR auf Stylepark: Nordisch by Nature: Der HeartOak-Fußboden von Dinesen ist bei der Neugestaltung des derzeit besten Restaurants der Welt, dem noma in Kopenhagen, das zentrale Gestaltungselement. Wir bitten zu Tisch: Ob draußen unter dem großen „Tisch" der Frankfurter Schirn oder drinnen mit Stühlen von Nitzan Cohen und Stefan Diez - im von Stylepark mitgestalteten „Table" ist man immer richtig. |