Ästhetischer Feingeist ist den beiden Schwestern Guillane und Gwendolyn Kerschbaumer in die Wiege gelegt worden: Design und Kunst umgab sie bereits im elterlichen Haus, denn die Mutter war Designerin. Das gemeinsame Interesse für elegantes Design jenseits von kurzweiligen Trends verbindet die beiden. Dass die Schwestern seit 2008 unter dem Namen Atelier Areti Leuchten entwerfen und auch selbst vertreiben, sei keine Absicht gewesen, erläutert Gwendolyn Kerschbaumer. Aber die Gestaltungsfreiheit sei bei Leuchten nun mal größer als bei Möbeln – und sie würden ihre Arbeiten näher zur Kunst denn zum Produktdesign zuordnen. Das hält die Schwestern aber nicht davon ab, zum diesjährigen London Design Festival eine Möbelkollektion zu lancieren.
Atelier Areti


Was? Wie? Wo? Warum?
Wo möchten Sie leben?
Guillane Kerschbaumer: Ich lebe seit 11 Jahren in London und fühle mich nun dort zu Hause. Ich liebe auch Paris, wo ich vorher gelebt habe.
Gwendolyn Kerschbaumer: In Europa, wo genau ist mir nicht so wichtig. Als ich noch Studentin war, wollte ich in Städten wie New York oder Rotterdam leben (Rotterdam war damals ein Mecca für Architekten ...). Wenn man jung ist, sucht man Anregung von Außen, will man alles Interessante aufsaugen, und langt deshalb nach Städten mit einer starken künstlerischen, intellektuellen Atmosphäre. Jetzt verspüre ich dieses Bedürfnis viel weniger und genieße ruhigere Orte. Eigenschaften wie Weite, Natur sind ebenfalls wichtig geworden. Unsere Familie ist über Europa verteilt – deshalb reisen wir sowieso recht viel und freuen uns, die Diversität der verschiedenen Orte erleben zu können.
Ihre Lieblingsgestalt in der Designgeschichte?
Guillane Kerschbaumer: Ich habe keinen Favoriten – ich bewundere die Arbeiten verschiedener Designer, von den großen, bekannten, meine Mutter und natürlich meine Schwester Gwendolyn.
Gwendolyn Kerschbaumer: Ich habe ebenfalls keinen Favoriten, der heraussticht, obwohl ich natürlich bestimmte Arbeiten und Eigenschaften bei vielen bewundere. Unter den weniger bekannten (bis jetzt!) ... zähle ich natürlich auch Guillane.
Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Designer/einer Designerin am meisten?
Guillane Kerschbaumer: Ich schätze es, wenn eine Arbeit eher ruhig als laut ist, und wenn sie nicht zu stark von gegenwärtigen Trends beeinflusst ist.
Gwendolyn Kerschbaumer: Intelligenz, Talent, Gründlichkeit.
Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Gwendolyn Kerschbaumer: Meine Arbeit und Zeit mit meiner Familie. Areti ist glücklicherweise beides – mit jemandem zusammen zu arbeiten, dem man vertraut – auf professioneller sowie persönlicher Ebene. Das macht die Zusammenarbeit umso angenehmer und bereichender.
Guillane Kerschbaumer: Ich liebe ebenfalls meine Arbeit ... meistens jedenfalls.
Ihr Hauptcharakterzug?
Guillane Kerschbaumer: Freundlich, verlässlich, optimistisch.
Gwendolyn Kerschbaumer: Optimistisch, beharrlich, analytisch und manchmal exzessiv.
Ihr größter Fehler?
Guillane Kerschbaumer: Da sticht kein einzelner heraus, obwohl es etliche gibt ...
Gwendolyn Kerschbaumer: Ich habe natürlich genügend Fehler begangen, aber man lernt daraus.
Ihr Traum vom Glück?
Guillane Kerschbaumer: Das mag sich wie ein Klischee anhören, aber ich finde einfache Dinge schönsten. Im Park mit meinem Mann und Baby spazieren, Freunde treffen oder mit meiner ganzen Familie in unserem Haus in Grasse Tee trinken und diskutieren, wie wir das Haus renovieren könnten (was nach etlichen Jahren immer noch „a work in progress“ ist).
Gwendolyn Kerschbaumer: Das ist natürlich eine schwierige Frage – ohne existentielle und philosophische Fragen wirklich anzusprechen. Was mein tägliches Leben betrifft, finde ich es erfüllend den eigenen Interessen und Talenten nachzugehen und ein lebendiges Familienleben zu haben. Wir hatten das Glück und die Freiheit, eine Arbeit zu wählen, die unseren Interessen entspricht, dies ist ein Privileg. Global gesehen sind die meisten Menschen gezwungen grundlegende Probleme ökonomischer, politischer und sozialer Natur zu bewältigen, so dass sie leider nie die Gelegenheit haben, ihren Interessen und Talente nachzugehen.
Was nervt Sie am meisten?
Guillane Kerschbaumer: Die administrative Arbeit, die leider einen zu großen Teil des Tages einnimmt, wenn man sein eigenes Studio hat.
Gwendolyn Kerschbaumer: Ich finde es sehr schade, wenn Menschen wenig selbst nachdenken, sondern einfach die Meinung anderer wiederholen und annehmen, ohne diese wirklich zu hinterfragen. Oft haben wir eine Meinung bezüglich mancher Dinge, ohne dass wir uns angestrengt haben, diese gründlich zu erfassen. Wir treffen dann Entscheidungen basierend auf einem unvollständigen, oberflächlichen und oft falschem Verständnis. Dies hat negative Auswirkungen auf alle Bereiche unseres Lebens, Architektur und Design inklusive.
Ihr Lieblingsmaterial?
Guillane Kerschbaumer: Ich arbeite gerne mit Materialien die hochwertig sind und gut altern wie Metall, Holz, Stein, Keramik, Glas.
Gwendolyn Kerschbaumer: Das Gleiche.
Ihre Lieblingsblume?
Guillane Kerschbaumer: Wahrscheinlich Rosen.
Gwendolyn Kerschbaumer: Eher filigrane Blumen.
Welche Musik hören Sie beim Arbeiten?
Guillane Kerschbaumer: Ich liebe Hörbücher und klassische Musik.
Gwendolyn Kerschbaumer: Keine. Ich kann mich bei Musik im Hintergrund schlecht konzentrieren.
Welche gestalterische Leistung verabscheuen Sie am meisten?
Gwendolyn Kerschbaumer: Generell Konsumwahn. Kurzlebige Hypes; dass die meisten Produkte billig in Niedriglohnländern produziert werden und dass es mehr schlecht entworfene Konsumgüter gibt, als gut entworfene. Dies führt zu mehr Umweltverschmutzung, einer gebauten Umwelt, die viel angenehmer und inspirierender sein könnte als sie ist, wenig Erfüllung bei denjenigen, die in der Produktion und Design beteiligt sind. Ich bin 100 Prozent für die Verwendung von neuen Technologien in der Produktion, um unser Leben zu vereinfachen, um Produkte mit weniger menschlichem Aufwand herzustellen, um sie einem größeren Teil der Gesellschaft erschwinglich zu machen. Die Kritik richtet sich nicht gegen „billigere“ Produkte, es gibt viele erschwingliche Produkte, die sehr nützlich und gut entworfen sind – die Kritik richtet sich an Produkte, die sich verkaufen, weil sie gut vermarktet werden, nicht weil sie gut sind.
Welche Gabe möchten Sie besitzen?
Guillane Kerschbaumer: Ich würde gerne musikalischer sein.
Gwendolyn Kerschbaumer: Ich bin mir nicht ganz sicher. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass man mit viel Einsatz wahrscheinlich in jedem Gebiet recht weit kommen kann – aber Talent würde diesen Prozess um ein vielfaches beschleunigen. Ein Gebiet, das ich gerne tiefgründiger verstehen würde, ist Physik. Daher wünsche ich mir ein außergewöhnliches Talent in analytischem Denken. Mein Mann ist theoretischer Physiker und die flüchtigen Einblicke in diese Welt finde ich faszinierend. Ich würde gerne mehr verstehen, was das Universum, Raum, Zeit, Masse betrifft.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Guillane Kerschbaumer: Im Moment überwältigt, weil wir gerade unser Haus umbauen und es in dieser zeit auch bewohnen.
Gwendolyn Kerschbaumer: Glücklich, aber mit Einschränkungen. Der Tag hat zu wenig Stunden. Wir haben drei Kinder und alles unter einen Hut zu bekommen, ist schier unmöglich. Als Frau muss man irgendwann entscheiden, ob man eine Familie gründen will oder nicht. Guillane und ich haben uns für Kinder entschieden und daher im Beruf einen Gang zurück zu schalten. Die Arbeit ist aber dann noch spannender – denn die Zeit dafür ist rar gesät und wird somit besonders wertvoll.
Ihr Motto?
Gwendolyn Kerschbaumer: Kein bestimmtes. Es hängt von der Situation ab.
Guillane Kerschbaumer: Ebenso.